Bärbel
Höhn, grüne Landwirtschaftsministerin in NRW, über
Maul- und Klauenseuche, Tiertötungen und den trägen
Beamtenapparat.
Frau
Höhn, sehen Sie eine Chance, dass die Maul- und
Klauenseuche an der Bundesrepublik vorbeizieht?
Bärbel
Höhn: Das Problem ist, dass wir weitere Fälle in
immer mehr Ländern haben - nicht nur in Großbritannien,
sondern jetzt auch in Irland und in der Türkei. Das ist
natürlich bedrohlich. Wir versuchen, alles zu tun, damit
wir keine akuten Fälle von Maul- und Klauenseuche hier
in Deutschland bekommen. Aber je größer die Ausbreitung
in Europa ist, desto schwieriger wird auch die Situation.
Meinen
Sie, dass die gegenwärtigen Vorsichtsmaßnahmen
ausreichen, um ein Überspringen auf Deutschland zu
verhindern?
Bärbel
Höhn: Da, wo wir mögliche Gefahrenherde kennen, wo
auf den Höfen zum Beispiel Tiere aus Großbritannien
stehen, unternehmen wir alles Notwendige. Viel
gefährlicher sind allerdings Tiere, die nicht erkannt
werden - vielleicht weil sie über Drittländer gekommen
sind - und die gegebenenfalls infiziert sein können. Das
ist das eigentliche Problem. Diese Gefahr kann man ganz
schlecht einschätzen.
Mit
welchen Konsequenzen haben die Bürger zu rechnen, falls
MKS überspringt?
Bärbel
Höhn: Ganz entscheidend ist, wie schnell man die
Ursprungsherde erkennt. Die Frage ist: Wie lange hatte
der Erreger Zeit, sich auszubreiten, ohne erkannt zu
werden? Man sieht ja in Großbritannien, zu welchen
Problemen es führt, wenn der Erreger sich lange Zeit
ausbreiten konnte, ohne dass man etwas dagegen
unternehmen konnte. Das wird ausschlaggebend dafür sein,
welche Beeinträchtigungen wir den Menschen hier zumuten
müssen.
Sie
sind als Ministerin nicht nur für den Verbraucher-,
sondern auch für den Tierschutz zuständig: Die Bilder
von der Tötung der Schafe im Kreis Neuss wirkten auf
viele Menschen sehr makaber. Hatte diese Tötung nicht
elementar dem Tierschutz widersprochen?
Bärbel
Höhn: Ich habe die Bilder gesehen und muss sagen,
dass auch ich diese Bilder entsetzlich fand. Wir haben
sofort als Ministerium von der zuständigen
Bezirksregierung einen Bericht verlangt und werden diese
Vorfälle nicht auf sich beruhen lassen - so etwas darf
sich nicht wiederholen.
Trotz
der aktuellen Tierseuchen will laut einer Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts dimap nur jeder fünfte
Deutsche seine Ernährung umstellen. Haben Sie dafür
eine Erklärung? Haben Sie dafür Verständnis?
Bärbel
Höhn: Was ich praktisch erlebe, stimmt mit dieser
Umfrage nicht überein. Ich habe eher den Eindruck, dass
ein großer Teil der Bevölkerung sehr sensibel auf diese
Krisen reagiert hat. Der Rindfleischmarkt ist ja de facto
zusammengebrochen.
Sie
haben als Ministerin von Anfang Ihrer Amtszeit an einen
Schwerpunkt auf den Verbraucherschutz gelegt. Wie haben
Sie es geschafft, hierfür auch Ihre
Ministerialbürokratie zu sensibilisieren, die doch
dafür ebenso wenig Verständnis gehabt haben dürfte wie
die in Berlin?
Bärbel
Höhn: Man muss sehr viel Überzeugungsarbeit
leisten, und das braucht lange Zeit. Es gibt sicher auch
immer noch Leute in meinem Bereich oder zum Beispiel in
den Landwirtschaftskammern, die für die notwendigen
Veränderungen bis heute nicht sensibilisiert sind.
Insofern ist dieser Prozess auch noch nicht
abgeschlossen. Aber er geht grundsätzlich nur dann, wenn
man es wirklich schafft, die Mitarbeiter von den
Argumenten zu überzeugen. Das geht nicht von heute auf
morgen. Insofern hat Renate Künast mit ihrem Ministerium
in Berlin eine sehr schwierige Aufgabe übernommen.
Sie
wollen ebenso wie Renate Künast ein Umsteuern hin zu
einer ökologischen Landwirtschaft. Ist das gegenüber
der immer noch sehr starken konservativen Bauernlobby
überhaupt realistisch?
Bärbel
Höhn: Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel
Übereinstimmung wir in den letzten Wochen auch bis hin
zum Bauernverband haben. Auch wenn wir in einigen Punkten
unterschiedliche Positionen haben, so ist es doch
wichtig, den Bauernverband zu gewinnen, um die Umsetzung
am Ende in der Realität auch hinzubekommen und nicht
immer gegen seinen Widerstand arbeiten zu müssen. Der
Bauernverband bewegt sich momentan sehr in seinen
inhaltlichen Positionen. Insofern sehe ich schon eine
realistische Chance, jetzt viel zu verändern. Man muss
es nur sehr, sehr schnell tun. Situationen können sich
auch wieder ändern - und damit könnten auch die
Widerstände gegen Veränderungen in der Landwirtschaft
wieder wachsen.
Sie
setzen also auf eine Kooperation mit dem Bauernverband?
Bärbel
Höhn: Zunächst setze ich erst mal auf eine
Kooperation mit dem Bauernverband. Und meine Erfahrung
zeigt, dass man das auch machen kann. Auch da, wo man
unterschiedlicher Meinung ist, muss man versuchen,
Gemeinsamkeiten herauszufiltern. Aber es gibt natürlich
auch Differenzen, die man ausfechten muss.
Welche
Maßnahmen hielten Sie bundesweit für angebracht, um den
Verbraucherschutz effektiver zu machen?
Bärbel
Höhn: Der erste Punkt ist, dass wir den
Verbraucherzentralen wieder die Mittel zur Verfügung
stellen sollten, die sie vor den Kürzungen auf
Bundesebene hatten, um damit auch
Verbraucherinformationen zu verbessern. Der zweite Punkt
ist ein Verbraucherschutzinformationsgesetz. Es geht um
ein Recht der Verbraucher auf Information, zum Beispiel
auf die Ergebnisse von Kontrollen und Überprüfungen.
Der dritte Punkt: Verbesserung der Kennzeichnung - also
die eindeutige und klare Kennzeichnung von Lebensmitteln.
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