Die grüne
Fraktionschefin Kerstin Müller zu den Anwürfen der FDP.
Frau Müller, die
Grünen haben von Anfang an von der FDP gefordert, Jamal Karsli vor
die Tür zu setzen. Jetzt hat er seinen Aufnahmeantrag zurückgezogen.
Sind Sie nun zufrieden?
Kerstin Müller:
Nein. Die Entscheidung, dass Karsli vorerst nicht Mitglied der FDP
wird, aber weiter in der Landtagsfraktion mitarbeiten soll, ist
scheinheilig. Möllemann geht gezielt auf Stimmenfang am rechten Rand,
indem er dem Vizevorsitzenden des Zentralrats der Juden, Michel
Friedman, vorwirft, selbst antisemitische Ressentiments zu wecken.
Damit ist aus dem Problem Karsli ein Problem Möllemann geworden, zu
dem sich der Parteivorsitzende Guido Westerwelle verhalten muss.
Welche weiteren
Konsequenzen müsste die Affäre Karsli haben?
Kerstin Müller:
Möllemann, der immerhin stellvertretender Parteivorsitzender ist, hat
sich bis heute nicht von den Äußerungen Karslis distanziert. Auch
heute wieder hat er behauptet, die Politik Scharons und die Äußerungen
Friedmans seien geeignet, antisemitische Ressentiments zu wecken. Das
ist ein ungeheuerlicher Vorwurf. Westerwelle muss eindeutig klar
machen, dass solche Äußerungen in der FDP keinen Platz haben. Er
muss dafür sorgen, dass Möllemann sich distanziert oder zurücktritt.
Jürgen W. Möllemann
verweist darauf, dass Karsli sieben Jahre lang unbeanstandet für die
Grünen im NRW-Landtag gesessen hat. Warum empört sich Ihre Partei
erst jetzt über Karsli?
Kerstin Müller:
Diese Behauptung ist falsch. Genau zu dem Zeitpunkt, wo Herr Karsli
seine unsägliche Pressemitteilung gemacht hat, bin ich sofort aktiv
geworden und habe interveniert. Die Vorstände des NRW-Landesverbandes
und der Landtagsfraktion haben Karsli umgehend die gelbe Karte gezeigt
und deutlich gemacht: Wenn er noch einmal eine solche Äußerung tätigt,
hat er bei den Grünen keinen Platz mehr. Karsli ist dann wegen
unserer- Joschka Fischers und meiner - Nahostpolitik ausgetreten und
will bei der FDP wegen Möllemanns Nahostpolitik Unterschlupf finden.
Das zeigt wohl eindeutig, wie weit Grüne und FDP in ihren Positionen
auseinander liegen. Antiisraelische, antizionistische und
antisemitische Äußerungen sind für mich und für uns nicht
akzeptabel.
Sehen Sie auch
weiter reichende gesellschaftliche Auswirkungen der Attacken Möllemanns
gegen die angeblich zu israelfreundliche "politische Klasse"
in der Bundesrepublik und vor allem gegen Michel Friedman?
Kerstin Müller:
Sie machen Antisemitismus in Deutschland wieder salonfähig. Das
Argument, die Juden seien ja selbst schuld am Antisemitismus, hat seit
dem Zweiten Weltkrieg kein anderer deutsche Politiker öffentlich zu
sagen gewagt - außer den Rechtsradikalen. Offensichtlich will Möllemann
am rechten Rand Stimmen fischen und aussprechen, was andere nur zu
denken wagen. Der Skandal ist, dass Westerwelle ihn laufen lässt. Es
geht nicht mehr um Karsli, es geht um Möllemann und um den Kurs, den
die FDP in Deutschland verfolgen will: Wenn Westerwelle Möllemanns
gefährliches Spiel nicht stoppt, ist die FDP auf dem Weg der
Haiderisierung. Und dem werden wir Grüne entschieden entgegentreten.
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