die tageszeitung
07.05.2010



Interview mit
Wilfried Schmickler

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taz
 

 "Immer auf die Omme - das nenne ich Wahlkampfstil"
Von Pascal Beucker

Den Landtagswahlkampf fand er langweilig, bis auf Ausnahmen. Der Kölner Kabarettist Wilfried Schmickler zieht Bilanz.

taz: Herr Schmickler, wie hat Ihnen der Wahlkampf gefallen?

Schmickler: Ach, der war so langweilig wie alle Wahlkämpfe in den letzten Jahren - und zwar von allen Parteien. Originell fand ich allerdings die Aktion von ein paar Kölner Leuten, die hier die Wahlplakate von CDU, FDP und SPD mit Dollarzeichen beklebt haben. Das sah super aus: Überall glotzten dich diese Hochglanzvisagen mit den weißen Dollarzeichen in den Augen an. Relativ originell fand ich auch Scampi-Boris Berger, den Berater von Jürgen Rüttgers, und seinen Ausspruch über Hannelore Kraft: "Geschieht der Alten recht. Immer auf die Omme!" Das nenne ich mal einen Wahlkampfstil.

Was bleibt in Erinnerung?

Schmickler: Der erbärmliche Zustand der NRW-CDU. Zitat aus dem CDU-Hauptquartier: "Jeden Tag kommt ein neuer Eimer Scheiße" - stets aus den eigenen Reihen. Da muss es nur so wimmeln von Heckenschützen und Denunzianten, die darauf warten, dem Rüttgers von hinten und anonym ans Bein zu pinkeln.

Jürgen Rüttgers sah wie der sichere Sieger aus, jetzt droht ihm der Absturz. Was hat er falsch gemacht?

Schmickler: Der hat nichts falsch gemacht, er kann ja gar nichts falsch machen. Wo Rüttgers draufsteht, ist Rüttgers drin. Das ist wie bei einem Schlafmittel: Wenn da Schlafmittel draufsteht, und ich penne davon ein, dann hat das Schlafmittel nichts falsch gemacht. Genauso ist es bei Rüttgers.

Was war aus Ihrer Sicht das wichtigste Wahlkampfthema?

Schmickler: Bildung! Das einzige Thema, wo eine Landesregierung tatsächlich Handlungsspielräume hat. Hier sind die Alternativen klar: Auf der einen Seite stehen die Befürworter einer Bildungsreform, die darauf abzielt, mehr Chancengleichheit herzustellen und mehr Gerechtigkeit in die Schulen zu bringen. Auf der anderen Seite sind die Verteidiger des bestehenden Systems aus dem Paläolithikum: Hauptschule, Realschule, Gymnasium. Das ist in etwa so zukunftstauglich wie Bärenfell, Steinschleuder und Faustkeil.

Alle Parteien erklären, die Linkspartei gehöre nicht in den Landtag. Verstehen Sie das?

Schmickler: Verstehen kann ich das schon. Wer begrüßt schon den Einfall der Holzfäller in die friedliche Familie? Die haben doch alle Angst: Jetzt kommen die Linken und mischen den Laden auf! Aber das wird ihnen wohl nicht erspart bleiben. Wobei ich persönlich mich darauf freue. Vor allem Rüttgers und die FDP sagen ja immer: Wenn die in den Landtag kommen, geht die Welt unter. Das möchte ich doch gerne mal erleben. So was erlebt man ja schließlich nur einmal im Leben.

Haben Sie Ihre Wahl schon getroffen?

Schmickler: Ja, ich bin am Sonntag nicht da. Also habe ich, wie sich das gehört, schon meine Briefwahl gemacht - wie immer schweren Herzens und mit zitternder Wahlhand.

Auf welche Koalition nach dem 9. Mai tippen Sie?

Schmickler: Auf die falsche. Ich werde garantiert danebenliegen. Beim Fußball habe ich dieses Jahr auch schon verloren.

Wie lautet denn Ihr Tipp?

Schmickler: Es wird die schlimmste Koalition kommen, die denkbar ist, nämlich wahrscheinlich eine große.

Um Ihre Prognosefähigkeiten richtig einschätzen zu können: Auf was für einen Fußballmeister hatten Sie getippt?

Schmickler: Bayer Leverkusen.


z u r  p e r s o n

Wilfried Schmickler (55) gehört zum Stammpersonal der "Mitternachtsspitzen" im WDR-Fernsehen und zählt zu den besten Kabarettisten Deutschlands. Sein aktuelles Soloprogramm heißt passend zum Abschied von Schwarz-Gelb in NRW: "Es war nicht alles schlecht". Am 8. Mai bekommt Schmickler in Salzburg den renommierten Kabarettpreis "Salzburger Stier 2010" verliehen.


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