NORDRHEIN-WESTFALEN
Die Linke im Landtag wird die Minderheitsregierung von Hannelore Kraft
unterstützen, sagt ihr Chef Wolfgang Zimmermann.
taz: Herr Zimmermann, wie bewerten Sie den plötzlichen
Sinneswandel von Hannelore Kraft, nun doch eine rot-grüne
Minderheitsregierung bilden zu wollen?
Wolfgang Zimmermann: Ich freue mich, dass Frau
Kraft endlich zur Einsicht gekommen ist. Die schwarz-gelbe Regierung ist
am 9. Mai abgewählt worden. Es wäre völlig unverständlich, wenn die SPD
sie aus taktischen Gründen hätte weiter im Amt belassen wollen. Zum Glück
hat sie der öffentliche und auch innerparteiliche Druck eines Besseren
belehrt.
SPD und Grüne
betonen, die Wahl von Kraft sei ganz ohne die Stimmen der Linken möglich.
Werden Sie ihr den Gefallen tun, sie nicht zur Ministerpräsidentin zu
wählen?
Wolfgang Zimmermann: Diese Diskussion ist
doch absurd. Wer meint, in einem möglichen vierten Wahlgang reiche ja die
relative Mehrheit und deswegen käme es dann nicht mehr auf die Linke an,
der beweist eklatante Mängel in der Beherrschung der Grundrechenarten.
Ohne uns geht es nicht. Gegen unsere Stimmen wird Frau Kraft nicht zur
Ministerpräsidentin gewählt werden.
SPD und Grüne
gehen davon aus, dass Sie sich enthalten werden.
Wolfgang Zimmermann: Was sollen solche
irrationalen Abgrenzungsrituale? Wir haben immer gesagt, die schwarz-gelbe
Regierung muss abgelöst werden. Deswegen werden wir natürlich nicht für
einen CDU-Kandidaten stimmen. Ob wir aber nun für Frau Kraft stimmen oder
uns bei der Wahl enthalten, haben wir noch nicht entschieden. Wir gehen
davon aus, dass SPD und Grüne auf uns zukommen und mit uns Gespräche
führen. Dann prüfen wir, ob es ihnen um einen wirklichen Politikwechsel
geht - oder nur um einen Austausch von Personen. Davon werden wir unser
Stimmverhalten abhängig machen.
Wenn die
Gespräche für Sie nicht befriedigend ausfallen, würden Sie Kraft auch
durchfallen lassen?
Wolfgang Zimmermann: Wir gehen davon aus,
dass SPD und Grüne geschlossen abstimmen werden. Sollte es Anzeichen
geben, dass dem nicht so ist, werden sich alle drei Parteien intensiv vor
der Wahl damit auseinandersetzen und eine Lösung finden müssen. Klar ist:
Wir haben kein Interesse daran, dass es Frau Kraft so ergeht wie Andrea
Ypsilanti in Hessen oder Heide Simonis in Schleswig-Holstein - dass sie
also das Opfer von Heckenschützen aus den eigenen Reihen wird.
Wie wird sich
die Linkspartei verhalten, wenn die rot-grüne Minderheitsregierung gewählt
ist? Wird sie von Ihnen toleriert werden?
Wolfgang Zimmermann: Nein, wir werden
zunächst einmal unsere eigenen Parlamentsinitiativen einbringen - etwa zur
sofortigen Abschaffung der Studiengebühren. Wir wollen ein Vergabegesetz
zur Tariftreue für NRW, ein neues Ladenschlussgesetz, was sich an den
Vorstellungen der Gewerkschaft Ver.di orientiert, ein Sozialticket für
Nordrhein-Westfalen, einen Entschuldungsfonds für die Kommunen und nicht
zuletzt, dass die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst wieder eingeführt
wird.
Was erwarten
Sie jetzt von SPD und Grünen?
Wolfgang Zimmermann: Es gibt eine Reihe
von Forderungen, die sich zumindest in ähnlicher Weise in den
Wahlprogrammen von SPD, Grünen und Linker befinden. Wir erwarten, dass sie
die umsetzen. Das gilt besonders für die von allen drei Parteien
angestrebte Änderung der Schulstruktur.
Selbst wenn
SPD und Grüne keine Gespräche mit Ihnen führen wollen, werden Sie also
nicht in die Fundamentalopposition gehen?
Wolfgang Zimmermann: Wir wollen, dass
sich die Arbeits- und Lebensbedingungen für der Mehrheit der Menschen in
diesem Land verbessern: für abhängig Beschäftigte, Erwerbslose, Schüler,
Studierende und Rentner. Dafür sind wir angetreten. Allen Initiativen, die
diesem Ziel dienen, werden wir zustimmen. Sozialabbau, Stellenabbau und
Privatisierung öffentlichen Eigentums sind mit uns dagegen nicht zu
machen: Da müsste sich Rot-Grün Unterstützung von anderen holen.
Würden Sie
denn auch dem Haushalt zustimmen?
Wolfgang Zimmermann: Das hängt davon ab,
ob SPD und Grüne frühzeitig auf uns zukommen und mit uns über ihren
Haushaltsentwurf reden. Wer etwas von uns will, kann mit uns sprechen. Wir
verweigern uns keinen Gesprächen. Allerdings kann ich mir derzeit nur
schwer vorstellen, dass er von uns mitgetragen werden kann. Denn auch im
Landeshaushalt muss die Bereitschaft zu einem grundsätzlichen
Politikwechsel erkennbar sein. SPD und Grüne haben über Jahre hinweg auch
in Nordrhein-Westfalen Sozialabbau und Stellenabbau betrieben. Wenn sie
diese Politik fortsetzen wollen, dann nicht mit uns. Aber Menschen und
Parteien sind ja lernfähig. Jedenfalls sollten sie es sein.