29.04.1999



Interview mit Friedhelm Farthmann

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*   "Man kann nicht so schnell gucken, wie die die Kurve kriegen"
Von Pascal Beucker

Der 68jährige Friedhelm Farthmann war von 1975 bis 1985 Landesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, von 1985 bis 1995 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion und ist immer noch Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag.

Herr Farthmann, werden Sie auf einer der 1. Mai-Kundgebungen des DGB sprechen?

Friedhelm Farthmann: Nein. Ich habe in meinem Leben 26 1. Mai-Kundgebungen absolviert. Aber ich bin seit meinem Ausscheiden aus der Politik dort nicht mehr gefragt.

Sind Sie generell der Ansicht, daß nachdem nun die SPD im Bund wieder an der Regierung ist, SPD-Mitglieder nicht mehr auf solchen Veranstaltungen auftreten sollten?

Friedhelm Farthmann: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Es ist immer Übung des DGB gewesen, Politiker sowohl aus Regierungs- als auch aus Oppositionsparteien am 1. Mai als Redner auftreten zu lassen.

Was haben Sie dann gegen den geplanten Auftritt von Oskar Lafontaine am Samstag in Saarbrücken?

Friedhelm Farthmann: Auch dagegen habe ich überhaupt nichts. Ich finde allerdings, es wirft ein seltsames Licht auf die Praxis des Deutschen Gewerkschaftsbundes, wenn sich auf der einen Seite Einzelgewerkschaften darum bemühen, den Bundesverteidigungsminister Scharping auf der 1. Mai-Veranstaltung in Ludwigshafen wieder auszuladen, und dann der DGB auf der anderen Seite Oskar Lafontaine reden läßt, von dem man leider befürchten muß, daß er eine Rede gegen die amtierende Bundesregierung hält.

In Agenturmeldungen werden Sie mit der Aussage zitiert, wer einen "absurden Pazifismus" predige, trage "den Spaltpilz" in die Partei. Unterstellen Sie Ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden einen "absurden Pazifismus"?

Friedhelm Farthmann: Nein, das will ich ihm nicht unterstellen. Aber ich halte in der Tat einen Pazifismus auch jetzt gegenüber Serbien für unverantwortlich. Und ich fürchte, daß Oskar Lafontaine in diese Kerbe schlagen wird.

Was halten Sie gegenüber Serbien für verantwortlich?

Friedhelm Farthmann: Für mich gibt es zum Handeln der NATO überhaupt keine Alternative. Wer sich dem verschließt, der muß wissen, was er auf sich nimmt. Pazifistische Ideen kommen immer sehr sympathisch an. Da kriegt man gerade bei linken politischen Gruppierungen auf jeder Versammlung immer Beifall dafür. Aber die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Wir könnten uns ja heute noch alle beglückwünschen, wenn die damaligen Alliierten Hitler frühzeitig in den Arm gefallen wären. Wenn sie ihn daran gehindert hätten, uns das einzubrocken, was nachher der Welt Millionen von Toten und uns sehr viel Leid und sehr viel Schande eingetragen hat.

Sehen Sie denn in Milosevic einen neuen Hitler?

Friedhelm Farthmann: Nein, aber ich sehe in ihm einen, der Menschenrechte verachtet und Verbrechen an der Menschlichkeit begeht. Die Demokratien müssen das Recht und auch die Kraft haben, Rechtsbrechern in den Arm zu fallen - sowohl innenpolitisch gegenüber Kriminellen, als auch außenpolitisch.

In seinem Engagement für den Krieg gegen Jugoslawien läßt sich der grüne Außenminister von kaum jemanden überbieten, ...

Friedhelm Farthmann: Richtig.

... und in der grünen Bundestagsfraktion gibt es weniger Kriegsgegner als in der SPD-Fraktion. Sie galten immer als einer der schärfsten Gegner von Rot-Grün. Müssen Sie nun Ihre Position neu überdenken?

Friedhelm Farthmann: Man kann nicht so schnell gucken, wie die die Kurve kriegen. Daß Fischer diese Position einnimmt, erfreut mich, und das halte ich auch für gut. Besser wäre allerdings, er hätte in aller Klarheit gesagt: Ich habe meine Meinung gegenüber früher geändert. Das wäre aufrichtiger gegenüber der Öffentlichkeit. Denn wenn ich das vor zwei Jahren gefordert hätte, was er heute tut, dann wäre ich nicht nur politisch kritisiert, sondern als unverbesserlicher und menschenverachtender Militarist denunziert worden.


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