05.08.1999



Interview mit Benjamin Mikfeld

Startseite
taz

*   "Der Konter von links fehlt"
Von Pascal Beucker

Juso-Spielführer Benjamin Mikfeld über das Formtief der SPD.

Herr Mikfeld, glauben Sie, daß der VfL Bochum den Wiederaufstieg schafft?

Benjamin Mikfeld: Selbstverständlich. Die Mannschaft ist stark genug, um sich in der Zweiten Liga behaupten und wieder aufsteigen zu können.

Nun hat Ihr Lieblingsverein in der Zweiten Liga die Chance zum Neuaufbau bekommen. Hätte die SPD eine solche Chance nicht auch verdient?

Benjamin Mikfeld: Naja. Die SPD hat leider den Neuaufbau in der Zeit, wo sie Zweitligaverein war, nicht richtig organisiert. Da hätte sie ein neues Spielsystem entwickeln müssen. Weil ihr das nicht gelungen ist, streiten sich jetzt Mannschaftskapitän, Trainer und der Rest der Mannschaft darum, ob man eher auf Angriff oder auf Defensive spielt. Letztendlich müßte man aber eigentlich ein intelligentes Mittelfeldspiel mit gut vorbereiteten Kontern über links organisieren.

Ihre Partei befindet sich in einem offensichtlichen Formtief. Wie könnte die SPD Ihrer Meinung nach da wieder herauskommen?

Benjamin Mikfeld: Indem sie zu den wesentlichen Schlüsselfragen, die es jetzt zu lösen gilt - also zuallererst die Frage der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit -, endlich ein gutes und die Gesellschaft mobilisierendes Konzept vorlegt. Nur im 'Bündnis für Arbeit' eine moderierende Rolle einzunehmen und ansonsten die treuesten Fanclubs mit Nullrundenforderungen zu provozieren, bringt die SPD eher auf 30 Prozent, als daß es gelingt, ein neues gesellschaftliches Bündnis zu schmieden.

Nun hat sich Reinhard Klimmt mit seiner Kritik an Gerhard Schröder weit aus der Deckung gewagt. War das ein letztes Aufbäumen vor der kaum mehr abzuwendenden Niederlage - im Saarland und innerparteilich?

Benjamin Mikfeld: Nein, das macht die Stimmungslage in der Partei deutlich. Reinhard Klimmt steht vor Wahlen und muß daher deutlich machen, wie die Situation der SPD ist, und daß Gerhard Schröder nicht in der Lage ist, für das gesamte Spektrum der Sozialdemokratie zu sprechen.

Der VfL-Abstiegstrainer Klaus Toppmöller coacht jetzt den 1. FC Saarbrücken. Ist das nicht ein schlechtes Omen für Reinhard Klimmt?

Benjamin Mikfeld: Der VfL ist ja nicht wegen Toppi abgestiegen. Möglicherweise hat ein zu wenig professionelles Umfeld die Verantwortung dafür, daß die Begeisterung der Fans abgenommen hat - wie bei der SPD und der Europawahl. Ich gehe aber davon aus, daß Klimmt ein ähnliches Schicksal abwenden kann.

Hat die SPD-Linke nach dem Ausstieg ihres Liberos Lafontaine Ihr Spielsystem geändert?

Benjamin Mikfeld: Sie sucht nach dem Spielsystem. Der Fehler war, das bisherige System auf einen Mann zuzuschneiden, der das Mannschaftsspiel nicht so beherrschte. Die Linke sollte nun nicht auf die letzte Schlacht setzen, sondern auf einen mittelfristigen Neuaufbau. Sie braucht ein System, das moderne Spielweise und Flügelspiel von links miteinander verbindet. Die Voraussetzung dafür ist erstens aus der Kabine herauszukommen und öffentlich dialogfähig zu agieren. Bündnispartner sind vorhanden. Zweitens wird es mit den Jungstars zu Zeiten der WMs von 1966 bis 1978 wohl nicht mehr zu machen sein. Erforderlich ist eine Neue Linke quer zu Parteien und Organisationsgrenzen - daran arbeiten wir Jusos.

Der erste Höhepunkt der neuen Saison in Nordrhein-Westfalen werden am 12. September die Kommunalwahlen sein. Wie sehen Sie hier die Aussichten der SPD? Wird es beispielsweise in Dortmund wieder für die Champions-League reichen?

Benjamin Mikfeld: Ich glaube, daß es in Dortmund reichen wird. Die Ruhrgebiets-SPD wird wohl gerade noch mit einem blauen Auge davonkommen. Das trägt vielleicht dazu bei, ihre Arroganz und Selbstherrlichkeit aufzubrechen. Sie muß sich darüber klar werden, daß man Meisterschaften nicht abonnieren kann.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.