08.07.1999



Interview mit Volker Bochnia

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*   "Der Landtag hat seine Hausaufgaben nicht gemacht"
Von Pascal Beucker

Der Landesgeschäftsführer der nordrhein-westfälischen ÖDP, Volker Bochnia, zur Aufhebung der 5%-Hürde für die Kommunalwahlen durch das nordrhein-westfälische Landesverfassungsgericht in Münster.

In wie vielen Kommunalparlamenten wird die ÖDP nach dem 12. September vertreten sein?

Volker Bochnia: Ich hoffe, überall da, wo wir antreten, da wir ausweglose Kandidaturen versucht haben zu vermeiden. Wir werden antreten in Bottrop, in Münster, im Kreis Coesfeld, der Stadt Dülmen, im Kreis Höxter, im Kreis Minden-Lübbecke sowie im Kreis Gütersloh. Dort, so hoffe ich, werden wir überall mindestens zwei Mandate erzielen. Und natürlich kandidieren wir wieder in der Stadt Bad Driburg, wo wir schon bisher zwei Stadträte stellen, da wir dort bei den letzten beiden Kommunalwahlen 1989 und 1994 die fünf Prozent überspringen konnten.

Haben Sie mit einem Sieg vor dem Verfassungsgerichtshof gerechnet?

Volker Bochnia: Gehofft haben wir darauf schon. Und nach der mündlichen Verhandlung am 15. Juni waren wir eigentlich auch schon ziemlich überzeugt davon, daß der Prozeß für uns positiv ausgehen würde.

Sie haben zum ersten Mal 1994 gegen die Fünf-Prozent-Hürde geklagt und damals einen Teilerfolg errungen. Warum hat Ihres Erachtens der Landtag nicht die notwendigen Konsequenzen aus dem damaligen Urteil der Verfassungsrichter gezogen?

Volker Bochnia: Es ist offensichtlich, daß der Landtag seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Das Urteil von '94 sagte ganz klar, was bei der Überprüfung alles berücksichtigt werden muß. Die Begründung des damaligen Urteils war je tendenziell bereits in Richtung Abschaffung Fünf-Prozent-Hürde. Dies wollte der Landtag beziehungsweise die stärkste Regierungsfraktion nicht, und deswegen wurde die Überprüfung der Hürde auf die lange Bank geschoben. Jetzt hat der Landtag die Quittung dafür bekommen.

Hatten Sie als konservative Partei keine Probleme damit, in einer Aktionseinheit mit der PDS vor dem Verfassungsgerichtshof zu stehen?

Volker Bochnia: Wir standen ja nicht in einer Einheit mit der PDS. Die meisten Kosten in dem Verfahren hatten außerdem sicherlich wir zu tragen. Die ganzen Gutachten, die seit 1993 erstellt worden sind, wurden von uns in Auftrag gegeben. Daß die PDS dann auch noch geklagt hat, ist eine Entscheidung der PDS gewesen. Sie hatte das Recht dazu, sie hat es genutzt und mit uns zusammen gewonnen. Ich glaube, wir können uns beide gemeinsam gratulieren.

Wollen Sie nun auch noch die Fünf-Prozent-Klausel bei den Landtagswahlen knacken?

Volker Bochnia: Das ist mit der Programmatik der ÖDP eigentlich nicht zu vereinbaren. Wir haben mal darüber nachgedacht, ob es sinnvoll wäre, eine Drei-Prozent-Hürde zu fordern, aber auch das ist bei uns umstritten. Was ich mir vorstellen könnte, das wäre so eine Geschichte, das man eine Regelung einführt, wie sie vor der Wiedervereinigung für die Berliner Abgeordneten im Bundestag galt. Die hatten kein Stimmrecht, aber ein Rederecht. Das könnte eine Möglichkeit sein, daß alle Parteien, die unter der Hürde bleiben, zwar keine vollständig gleichberechtigten Abgeordneten stellen dürfen, aber zumindest redeberechtigte Mitglieder in die Parlamente schicken. Damit könnte der Angst vor Weimarer Zuständen begegnet werden und trotzdem der Wählerwille besser als bisher Berücksichtigung finden.


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