12.11.1998


Interview mit Michael Vesper

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*   Linssens jüngstes Gericht
Von Pascal Beucker und Thomas Meiser

Die CDU-Opposition im Landtag zeigte grüne Spitzenpolitiker an: Diese sollen angeblich Polizeibeamte während eines Demonstrationseinsatzes genötigt haben. Michael Vesper ist Grüner und stellv. Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens.

Michael VesperHerr Vesper, bei Ihrem Einsatz am 24. Oktober haben Sie ziemlich im Regen gestanden.

Michael Vesper: In der Tat. Ich war bis auf die Haut naß.

Sind Sie denn jetzt verschnupft?

Michael Vesper: Nein, das hat sich sehr schnell durch ein warmes Bier wieder regeln lassen.

Was hat Sie zu den Demonstranten gegen die NPD-Kundgebung getrieben? Die Kameras?

Michael Vesper: Nein. Es kam einer der Demonstranten gegen den NPD-Aufmarsch in Bonn auf unseren Bundesparteitag und hat uns um Hilfe gebeten. Dreihundert Menschen seien unweit der Beethovenhalle von der Polizei eingeschlossen worden und stünden seit vier Stunden im Regen. Ich habe mich dann auf Bitten des Parteitages zusammen mit anderen grünen Mandatsträgern vor Ort begeben. Und zwar, um dort die klassische Rolle des Moderators einzunehmen.

Da haben Sie dann in Ihrer Eigenschaft als stellvertretender Ministerpräsident mit der Polizei verhandelt?

Michael Vesper: Ich habe mit den Abschnittsleitern vor Ort gesprochen und telefonisch auch mit der Polizeiführung in Bonn. Ich habe versucht mitzuhelfen, eine Lösung der Situation zu finden. Das ist ja dann auch gelungen.

Aber die Polizisten vor Ort haben Sie nicht besonders freundlich empfangen. Zu hören war etwa: "Da kommt Vesper und seine Konsorten". Ein Kommissar hat gar gegenüber gleichfalls anwesenden Journalisten erklärt: "Der Vesper ist für mich kein unbeschriebenes Blatt - den haben wir auch schon mal festgenommen."

Michael Vesper: Das war doch scherzhaft gemeint. Ich bin zwar vor Jahren mal mit Handschellen auf dem Boden gelandet, als Polizeibeamte am Düsseldorfer Hauptbahnhof einen Telefonräuber verfolgt haben und mich fälschlicherweise für diesen Täter gehalten hatten. Aber das war ein Düsseldorfer Spezialeinsatzkommando. Generell komme ich mit der Polizei außerordentlich gut aus. Die sind ja schließlich auch grün.

Aber warum haben Ihre Bemühungen zur Freilassung der eingekesselten Demonstranten ganze zwei Stunden gedauert?

Michael Vesper: Da müssen Sie die Polizei und die Staatsanwaltschaft fragen. Gut' Ding will Weile haben. Das hat natürlich seine Zeit gedauert.

Ist es richtig, daß die Staatsanwaltschaft deswegen eingeschaltet werden mußte, weil das Innenministerium aus Angst vor schlechten Schlagzeilen über Rot-Grün sich weigerte, die Einsatzkräfte vor Ort anzuweisen?

Michael Vesper: Nein. Ganz offensichtlich sind im Vorfeld dieser Einschließung von einzelnen Demonstranten Straftaten begangen worden. In einer solchen Situation muß die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden. Weil sie zu entscheiden hat, wie weiter zu verfahren ist.

Sie haben sich also tatsächlich dafür eingesetzt, daß Straftäter freigelassen werden?

Michael Vesper: Nein. Natürlich nicht. Ich selbst habe die Straftaten im übrigen nicht beobachtet. Denn ich bin erst zu einem Zeitpunkt vor Ort gewesen, als diese Dinge längst beendet waren. Aber mir ist von verschiedenen Seiten berichtet worden, daß beispielsweise unbehelmte Polizisten und Polizistinnen mit Steinen beworfen worden sind. Um es deutlich zu sagen: Solche Straftaten sind zu verurteilen. Ich finde, es konterkariert eine Demonstration, die sich gegen Gewalttätigkeiten von Rechts wendet, wenn einzelne Demonstranten selber gegenüber der Polizei Gewalt ausüben. Das darf nicht sein.

Jetzt haben zwei CDU-Parlamentarier Strafanzeige gegen Sie wegen Nötigung und der Mitwirkung zur Starfvereitelung gestellt. Ist das der neue Umgangston unter Parlamentariern in Düsseldorf?

Michael Vesper: Mit Frau Hieronymi, einer der Anzeigeerstatterinnen, habe ich wenige Tage zuvor die Doppelkirche in Schwarz-Rheindorf bei Bonn besichtigt. Da hat sie sich noch ganz dicht an mich gedrängt, um mit auf dem Foto zu sein.

Ist Ihnen so eine Strafanzeige wie die von Frau Hironymi und Herrn van Schewick schon mal untergekommen?

Michael Vesper: Nein. Das ist ein Novum. Aber die CDU, die ja in einer bemerkenswert schlechten Verfassung hier in NRW ist, versucht auf jede Weise wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Sie wird aber bemerken, daß dieser Boden sehr dünnes Eis ist.

Wie nennen Sie das? Scheinheilig?

Michael Vesper: Und politische Schaumschlägerei. Ich sehe dem sehr gelassen entgegen und vertraue in die Rechtsstaatlichkeit der zuständigen Organe.

Unmittelbar nach der Aktion herrschte bei vielen grünen Abgeordneten große Empörung über den Polizeieinsatz in Bonn. Er sei völlig unverhältnismäßig gewesen, das Verhalten der Polizei müsse Konsequenzen haben, hieß es. Ist die einzige Konsequenz aus den Geschehnissen, daß CDU-Kollegen aus dem Landtag Sie und die stellvertretende Landtagspräsidentin Katrin Grüber angezeigt haben?

Michael Vesper: Die Strafanzeige ist nicht mehr als ein politisches Spektakel, ohne ernsthaften Hintergrund. Die anderen Vorfälle werden natürlich aufgeklärt. Der Innenminister hat Berichte von allen beteiligten Stellen angefordert. Der Innenausschuß des Landtags wird sich diese Woche zum zweiten Mal mit den Vorgängen beschäftigen, Jeder kann sicher sein, daß dort aufgeklärt wird, ob es zu Übergriffen oder Härten gekommen ist. Ich selbst habe eine Menge Briefe von Eltern jugendlicher Demonstranten und auch von Demonstranten selber bekommen, in denen sie sich dafür bedanken, daß es zu diesem Ausgang der Demonstration gekommen ist. In diesen Briefen werden in der Tat auch Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Dem wird nachgegangen, da werden auf jeden Fall beide Seiten gehört werden.

Nach der Auflösung des Polizeikessels sind Sie zusammen mit den freigelassenen Demonstranten vor die Bonner Beethovenhalle gezogen. Hat Sie das an die wilde Bewegungszeit der grünen Partei erinnert?

Michael Vesper: Auch als Minister demonstriere ich gelegentlich, wenn es sinnvoll und notwendig ist. Da bin ich noch nicht ganz aus der Übung.

Und Sie sind auch nach der CDU-Attacke immer noch nicht verschnupft?

Michael Vesper: Nein, da sind die Bazillen nicht stark genug.


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