Die CDU-Opposition im Landtag
zeigte grüne Spitzenpolitiker an: Diese sollen angeblich
Polizeibeamte während eines Demonstrationseinsatzes
genötigt haben. Michael Vesper ist Grüner und stellv.
Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens.
Herr Vesper, bei Ihrem
Einsatz am 24. Oktober haben Sie ziemlich im Regen
gestanden.
Michael Vesper: In
der Tat. Ich war bis auf die Haut naß.
Sind Sie denn jetzt
verschnupft?
Michael Vesper:
Nein, das hat sich sehr schnell durch ein warmes Bier
wieder regeln lassen.
Was hat Sie zu den
Demonstranten gegen die NPD-Kundgebung getrieben? Die
Kameras?
Michael Vesper:
Nein. Es kam einer der Demonstranten gegen den
NPD-Aufmarsch in Bonn auf unseren Bundesparteitag und hat
uns um Hilfe gebeten. Dreihundert Menschen seien unweit
der Beethovenhalle von der Polizei eingeschlossen worden
und stünden seit vier Stunden im Regen. Ich habe mich
dann auf Bitten des Parteitages zusammen mit anderen
grünen Mandatsträgern vor Ort begeben. Und zwar, um
dort die klassische Rolle des Moderators einzunehmen.
Da haben Sie dann in
Ihrer Eigenschaft als stellvertretender
Ministerpräsident mit der Polizei verhandelt?
Michael Vesper: Ich
habe mit den Abschnittsleitern vor Ort gesprochen und
telefonisch auch mit der Polizeiführung in Bonn. Ich
habe versucht mitzuhelfen, eine Lösung der Situation zu
finden. Das ist ja dann auch gelungen.
Aber die Polizisten
vor Ort haben Sie nicht besonders freundlich empfangen.
Zu hören war etwa: "Da kommt Vesper und seine
Konsorten". Ein Kommissar hat gar gegenüber
gleichfalls anwesenden Journalisten erklärt: "Der
Vesper ist für mich kein unbeschriebenes Blatt - den
haben wir auch schon mal festgenommen."
Michael Vesper: Das
war doch scherzhaft gemeint. Ich bin zwar vor Jahren mal
mit Handschellen auf dem Boden gelandet, als
Polizeibeamte am Düsseldorfer Hauptbahnhof einen
Telefonräuber verfolgt haben und mich fälschlicherweise
für diesen Täter gehalten hatten. Aber das war ein
Düsseldorfer Spezialeinsatzkommando. Generell komme ich
mit der Polizei außerordentlich gut aus. Die sind ja
schließlich auch grün.
Aber warum haben
Ihre Bemühungen zur Freilassung der eingekesselten
Demonstranten ganze zwei Stunden gedauert?
Michael Vesper: Da
müssen Sie die Polizei und die Staatsanwaltschaft fragen.
Gut' Ding will Weile haben. Das hat natürlich seine Zeit
gedauert.
Ist es richtig, daß
die Staatsanwaltschaft deswegen eingeschaltet werden
mußte, weil das Innenministerium aus Angst vor
schlechten Schlagzeilen über Rot-Grün sich weigerte,
die Einsatzkräfte vor Ort anzuweisen?
Michael Vesper:
Nein. Ganz offensichtlich sind im Vorfeld dieser
Einschließung von einzelnen Demonstranten Straftaten
begangen worden. In einer solchen Situation muß die
Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden. Weil sie zu
entscheiden hat, wie weiter zu verfahren ist.
Sie haben sich also
tatsächlich dafür eingesetzt, daß Straftäter
freigelassen werden?
Michael Vesper:
Nein. Natürlich nicht. Ich selbst habe die Straftaten im
übrigen nicht beobachtet. Denn ich bin erst zu einem
Zeitpunkt vor Ort gewesen, als diese Dinge längst
beendet waren. Aber mir ist von verschiedenen Seiten
berichtet worden, daß beispielsweise unbehelmte
Polizisten und Polizistinnen mit Steinen beworfen worden
sind. Um es deutlich zu sagen: Solche Straftaten sind zu
verurteilen. Ich finde, es konterkariert eine
Demonstration, die sich gegen Gewalttätigkeiten von
Rechts wendet, wenn einzelne Demonstranten selber
gegenüber der Polizei Gewalt ausüben. Das darf nicht
sein.
Jetzt haben zwei
CDU-Parlamentarier Strafanzeige gegen Sie wegen Nötigung
und der Mitwirkung zur Starfvereitelung gestellt. Ist das
der neue Umgangston unter Parlamentariern in Düsseldorf?
Michael Vesper: Mit
Frau Hieronymi, einer der Anzeigeerstatterinnen, habe ich
wenige Tage zuvor die Doppelkirche in Schwarz-Rheindorf
bei Bonn besichtigt. Da hat sie sich noch ganz dicht an
mich gedrängt, um mit auf dem Foto zu sein.
Ist Ihnen so eine
Strafanzeige wie die von Frau Hironymi und Herrn van
Schewick schon mal untergekommen?
Michael Vesper:
Nein. Das ist ein Novum. Aber die CDU, die ja in einer
bemerkenswert schlechten Verfassung hier in NRW ist,
versucht auf jede Weise wieder Boden unter die Füße zu
bekommen. Sie wird aber bemerken, daß dieser Boden sehr
dünnes Eis ist.
Wie nennen Sie das?
Scheinheilig?
Michael Vesper: Und
politische Schaumschlägerei. Ich sehe dem sehr gelassen
entgegen und vertraue in die Rechtsstaatlichkeit der
zuständigen Organe.
Unmittelbar nach der
Aktion herrschte bei vielen grünen Abgeordneten große
Empörung über den Polizeieinsatz in Bonn. Er sei
völlig unverhältnismäßig gewesen, das Verhalten der
Polizei müsse Konsequenzen haben, hieß es. Ist die
einzige Konsequenz aus den Geschehnissen, daß
CDU-Kollegen aus dem Landtag Sie und die stellvertretende
Landtagspräsidentin Katrin Grüber angezeigt haben?
Michael Vesper: Die
Strafanzeige ist nicht mehr als ein politisches
Spektakel, ohne ernsthaften Hintergrund. Die anderen
Vorfälle werden natürlich aufgeklärt. Der
Innenminister hat Berichte von allen beteiligten Stellen
angefordert. Der Innenausschuß des Landtags wird sich
diese Woche zum zweiten Mal mit den Vorgängen
beschäftigen, Jeder kann sicher sein, daß dort
aufgeklärt wird, ob es zu Übergriffen oder Härten
gekommen ist. Ich selbst habe eine Menge Briefe von
Eltern jugendlicher Demonstranten und auch von
Demonstranten selber bekommen, in denen sie sich dafür
bedanken, daß es zu diesem Ausgang der Demonstration
gekommen ist. In diesen Briefen werden in der Tat auch
Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Dem wird
nachgegangen, da werden auf jeden Fall beide Seiten
gehört werden.
Nach der Auflösung
des Polizeikessels sind Sie zusammen mit den
freigelassenen Demonstranten vor die Bonner
Beethovenhalle gezogen. Hat Sie das an die wilde
Bewegungszeit der grünen Partei erinnert?
Michael Vesper:
Auch als Minister demonstriere ich gelegentlich, wenn es
sinnvoll und notwendig ist. Da bin ich noch nicht ganz
aus der Übung.
Und Sie sind auch
nach der CDU-Attacke immer noch nicht verschnupft?
Michael Vesper:
Nein, da sind die Bazillen nicht stark genug.
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