23.02.2000



Interview mit Sylvia Löhrmann

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taz

*   "Unser Kurs ist eine Gratwanderung"
Von Pascal Beucker

Die grüne NRW-Landtagsfraktionssprecherin Sylvia Löhrmann zur Rolle der Grünen.

Sylvia LöhrmannFreuen Sie sich schon darauf, in sieben Wochen wieder in der Opposition zu sein? Schließlich scheint es nicht so gut für Rot-Grün auszusehen: Ministerpräsident Wolfgang Clement vermeidet jegliche Koalitionsaussagen zugunsten Ihrer Partei, liebäugelt mit der FDP und hofft auf eine absolute SPD-Mehrheit.

Sylvia Löhrmann: Das sind Träumereien. Daran zeigt sich nur, dass wir kein bequemer Partner sind - was wir auch nie sein wollten. Was den Wählerinnen und Wählern bei Clements Aussagen klar sein sollte: Wer Rot-grün will, muss Grün wählen! Was wäre das für eine Konstellation: Herr Clement, der sowieso immer gerne mit dem Kopf durch die Wand will, mit Möllemann kombiniert? Wir werben dafür, dass dem Land ein rot-gelber Wettbewerb um die größten und absurdesten Großprojekte erspart bleibt.

Ist es für Sie kein Problem, auf Gedeih und Verderb einer SPD ausgeliefert zu sein, die für sich selbst alle Koalitionsoptionen offen lässt?

Sylvia Löhrmann: Wir müssen immer wieder entscheiden: Ist das Gesamtprojekt so tragfähig, dass es in die richtige Richtung geht? Der grüne Anteil an Reformprojekten muss deutlich sein, was ja auch der Fall ist. Aber: Was wäre die bündnispolitische Alternative zur SPD? Ein Ministerpräsident Rüttgers? Die Politik der CDU macht eine Zusammenarbeit unmöglich. Wer fordert, das Asylrecht abzuschaffen; wer in der Frauenpolitik rückwärtsgewandt ist; wer in der Drogenpolitik wie hier in Düsseldorf zusammen mit den Republikanern verhindert, dass Hilfsangebote für Schwerstabhängige geleistet werden, wer derartig Auto fixiert ist - mit dem ist nichts zu machen.

Ist das der Grund dafür, dass sich die Grünen in der Flugaffäre nicht an die Spitze der Aufklärung gestellt haben, wie sie es noch zu Oppositionszeiten getan hätten?

Sylvia Löhrmann: Wir wollen, dass alle Vorgänge aufgeklärt werden. Das betrifft sowohl die Flugaffäre als auch die Wahlkampfhilfe für Stolpe über das nordrhein-westfälische Verbindungsbüro in Ostberlin. Aber wir haben uns nicht von der CDU instrumentalisieren lassen, die das Ganze nur hochzieht, weil sie von eigenem Schlamassel ablenken will. Natürlich ist unser Kurs eine Gratwanderung. Aber wir haben dafür gesorgt, dass eine hochkarätig besetzte Kommission zügig die SPD-Wahlkampfhilfe Ost unter die Lupe nimmt.

Wie bewerten Sie die Verquickungen zwischen Landesregierung und WestLB?

Sylvia Löhrmann: Es ist offensichtlich, dass eine unsensible Inanspruchnahme der WestLB-Flugbereitschaft durch die früheren SPD-Landesregierungen erfolgt ist. Bei der Zeugenaussage Clements in der vergangenen Woche ist wieder deutlich geworden, wie schwer es der SPD fällt, einzugestehen, dass man das besser so nicht gemacht hätte. Das gilt auch für die Wahlkampfhilfe Ost. Wir haben von Anfang an gesagt: Das ist eine verdeckte Parteienfinanzierung. Clement hat das inzwischen, wenn auch sehr verklausuliert, zugestanden. Die Konsequenz für uns: Es muss eine klare Trennung zwischen Bank und Landesregierung geben. Bisher haben wir Grünen ja schon erreicht, dass öffentliche Unternehmen keine Parteispenden mehr leisten dürfen, dass die Minister nicht mehr in Aufsichtsräte privat-rechtlicher Unternehmen kommen und dass die Staatsaufsicht über die Landesbank verlagert worden ist.


z u r  p e r s o n

Die 43-jährige Solingerin Sylvia Löhrmann ist Fraktionssprecherin von Bündnis90/Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag.


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