31.08.2000



Interview mit Barbara Moritz

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taz

*   "Auf SPD und CDU fokussiert"
Von Pascal Beucker

Barbara Moritz, grüne Kandidatin bei der Kölner Oberbürgermeister-Wahl am Sonntag, über verlorene Stimmen und einen Wahlkampf ohne Show.

Barbara Moritz (Bündnis 90/Die Grünen)Frau Moritz, nach den letzten Umfragen sollen Sie am Sonntag nur zehn Prozent der Stimmen bekommen. Damit sind Sie noch weit von ihrem Ziel 15 Prozent plus X entfernt. Was haben Sie falsch gemacht?

Barbara Moritz: Ob ich soviel falsch gemacht habe, weiß ich nicht. Diese Wahl ist ganz stark auf die Kandidaten von SPD und CDU fokussiert. Viele Leute glauben, dass ihre Stimme verloren ist, wenn sie nicht einen dieser beiden Kandidaten wählen und es nicht zu einer Stichwahl kommt. Es wird aber mit größter Wahrscheinlichkeit zu einer Stichwahl kommen, so dass eine Stimme für mich im ersten Wahlgang durchaus nicht verloren ist.

Verloren wäre sie doch nur dann nicht, wenn Sie in die Stichwahl kommen. Glauben Sie das ernsthaft?

Barbara Moritz: Nein. Aber ein gutes Ergebnis im ersten Wahlgang stärkt unsere Position gegenüber den anderen Fraktionen und unsere Arbeit in den vier folgenden Jahren. Wenn jetzt der Trend der letzten Kommunalwahl zu Schwarz-Gelb gefestigt würde, würde das politisch signalisieren, dass das Ergebnis der letzten Kommunalwahl nichts mit dem Heugel-Skandal zu tun hatte, sondern dass die Mehrheiten in Köln tendenziell in eine andere politische Richtung gehen. Wenn aber insgesamt Rot-Grün politisch gestärkt würde, würde das der CDU und FDP in Köln zeigen, dass die Bürger nicht das wollen, was sie bisher auf die Schiene gesetzt haben. Und das würde sie politisch unter Druck setzen.

Haben Sie anders als die Konkurrenz zu wenig Show gemacht? Wäre das nichts gewesen: Sie, eine Woche auf dem Roncalliplatz in einer Biotonne?

Barbara Moritz: Wir haben versucht, Profil dadurch zu gewinnen, dass wir uns nicht an diesem Larifari-Wahlkampf beteiligt haben. Die unterschiedlichen Parteien haben ja auch unterschiedliche Wählerklientel. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass unsere Wähler auf Show abfahren.

Warum hat konkrete Stadtpolitik im Wahlkampf der beiden aussichtsreichsten Kandidaten eine so geringe Rolle gespielt?

Barbara Moritz: Die großen Volksparteien versuchen, die ganze Bandbreite von links bis rechts, politisch bis unpolitisch abzudecken. Ihnen ist eigentlich jedes beliebige Thema recht. Aber dass die beiden mit ihrem wenig sachorientierten Beliebigkeitswahlkampf gut beraten waren, glaube ich nicht.

Welche Fragen sind aus ihrer Sicht in Diesem Wahlkampf alle nicht gestellt worden?

Barbara Moritz: Alle wichtigen Fragen haben eine sehr geringe Rolle gespielt. Zum Beispiel die Verkehrspolitik, Entwicklungskonzepte für die Stadt, Aussagen zur Wohnungspolitik oder Fragen der Bürgerbeteiligung. Das sind Dinge, die für mich an erster Stelle stehen.

Angenommen, keiner der Kandidaten erhält am Sonntag die absolute Mehrheit, und Sie kommen nicht in die Stichwahl, was werden Sie dann ihren Wählerinnen und Wählern für den 17. September empfehlen?

Barbara Moritz: Das können Sie mir jetzt noch nicht entlocken. Ich werde am 3. September konkret etwas dazu sagen. Eigentlich ist keiner der Kandidaten für uns einer Empfehlung würdig. Fritz Schramma hat mit seinem unpolitischen Wahlkampf gezeigt, dass er Inhalte nicht besetzt. Ich fürchte, dass andere das Sagen haben, und er nur den Grüßonkel macht. Wenn Anke Brunn gewählt wird, dann haben wir im Rat faktisch eine große Koalition - und das ist etwas, was eine reformorientierte Politik wirklich verhindern würde, und unsere Position im Rat auch nicht verbessert.


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