25.01.2001



Interview mit Jörg Frank

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taz

*   "Neid der Verlierer"
Von Pascal Beucker

Jörg Frank, Fraktionsvize der Kölner Grünen im Stadtrat, distanziert sich - vom Versuch rechter Demagogen, Geschichte umzuschreiben.

Jörg FrankJörg Frank, auch Sie gehörten wie Jürgen Trittin in den 70-er Jahren einer kommunistischen Gruppe an. Wann haben Sie sich das letzte Mal von ihrer linksradikalen Vergangenheit distanziert?

Jörg Frank: Ich habe damit erst gar nicht angefangen - und habe es auch nicht mehr vor.

Und trotzdem redet die CDU in Köln noch mit Ihnen?

Jörg Frank: Ich glaube, die sind realitätsbewusster als die Berliner CDU-Heißsporne. Nun sind natürlich auch die Grünen in Berlin in einer unvergleichlich schwierigeren Rolle als wir in Köln. Sie stehen im Brennpunkt. Die Opposition wie auch sensationsgeile Medien wollen sie fallen sehen.

In Berlin haben CDU und FDP zur Jagd geblasen. Wie erklären Sie sich die dortige Aufregung?

Jörg Frank: Das Motiv von CDU- wie FDP-Hardlinern besteht nicht bloß darin, die Regierung ins Schlingern zu bringen, sondern die Interpretationshoheit über einen wichtigen Teil der jüngeren Geschichte dieser Republik zu besetzen und damit die damalige Aufbruchzeit zu dämonisieren. Leute wie Laurenz Meyer oder Friedrich Merz sind Loser. Bei denen spielt auch Neid gegenüber den 68-ern mit. Sie sind bloß graues Mittelmaß und haben historisch nichts bewegt. Ich denke, dass es an der Zeit ist, sich gegen diese anachronistische Hysterie zur Wehr zu setzen.

Aber wenn die Kölner CDU nun doch auf die Idee käme, dass auch Sie sich zu distanzieren hätten, und damit droht, ansonsten nicht mehr mit Ihnen zu sprechen?

Jörg Frank: Darauf lasse ich mich nicht ein. Die 68-er und darauf folgenden Bewegungen haben das große Verdienst dafür, dass die Bundesrepublik das ist, was sie heute ist. Dazu gehört Emanzipation, Liberalität und Bürgerdemokratie. Aber auch eine Art Entnazifizierung der von den Alliierten geschenkten Republik. Liberales Klima, freie Lebensstile und der Bruch des beherrschenden Einfluss des Klerus wäre ohne 68 und danach nicht möglich gewesen. Viele gesellschaftliche Umwälzungen sind von den emanzipatorischen Bewegungen der 60-er und 70-er Jahre ausgegangen. Das ist ihr historisches Verdienst. Wir dürfen nicht zulassen, dass rechte Demagogen wie Wolfssohn, Gerhardt oder Meyer nun die Geschichte umlügen, weil ihre parteiideologischen Strömungen historisch die Verlierer sind.

Zum Gründungskonsens der Grünen gehörte nicht nur das Postulat der Gewaltfreiheit, sondern auch, mit Formen des zivilen Ungehorsams gegen aus ihrer Sicht falsche staatliche Maßnahmen zu protestieren. Gilt das für Sie immer noch?

Jörg Frank: Selbstverständlich.

Jetzt hat Ihr Parteirat beschlossen, Blockaden gegen Castor-Transporte abzulehnen. Verabschieden sich damit die Grünen nicht von einem Teil ihres Gründungskonsenses?

Jörg Frank: Ich verstehe die Entscheidung des Parteirates so, dass Eskalationen zwischen Demonstranten und der Polizei unbedingt vermieden werden sollen. Eine Strategie der Deeskalation unterstütze ich. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass zur Geschichte der Grünen auch der gewaltlose Widerstand gehört. Das ist eine Form der zivilen Auseinandersetzung und es gibt keinen Grund, sich von dieser Tradition zu distanzieren. Die vielfältigen gewaltfreien Protestaktionen der sozialen Bewegungen definierten ja auch eine klare Abgrenzung zu autoritären und terroristischen Formen der Politikdurchsetzung. Gerade wir in Köln können dabei stolz auf einen unserer Ehrenbürger sein, nämlich auf Heinrich Böll. Er hat damals Aktionen des politischen Ungehorsams selbst aktiv unterstützt - zum Beispiel die Blockade in Mutlangen. Warum sollte das jetzt plötzlich falsch sein?

Wenn trotz der am Dienstag erfolgten Weisung Trittins doch demnächst Castoren von Neckarwestheim über Köln nach Ahaus rollen, können Sie sich dann vorstellen, diese mit zu blockieren?

Jörg Frank: Ich bin der Meinung, dass die einzelnen Bundesländer für die Lagerung ihres Atommülls selbst die Verantwortung übernehmen müssen und es kein Atommüllverschieben quer durch die Republik auf dem Rücken der Bevölkerung geben darf. Insofern darf Ahaus auch nicht weiter gefüllt werden. Wenn das trotzdem versucht werden sollte, dann ist das Grund genug, dagegen gewaltfrei zu demonstrieren. Gewaltfreie Formen des Protestes gegen Castor-Transporte halte ich für gerechtfertigt.

Zu den gewaltfreien Formen könnte auch eine Blockade gehören?

Jörg Frank: Warum nicht? Aber ich bin dafür, dabei klare Grenzen zu ziehen. Die Frage ist, inwieweit dabei eine unmittelbare gewalttätige Auseinandersetzung mit der Polizei droht. Ich meine, dass dies vermieden werden muss. Gewaltfreie Aktionen dürfen nicht zu Eskalationen führen. Das könnte ich nicht unterstützen.


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