Jörg
Frank, Fraktionsvize der Kölner Grünen im Stadtrat,
distanziert sich - vom Versuch rechter Demagogen,
Geschichte umzuschreiben.
Jörg Frank, auch Sie gehörten
wie Jürgen Trittin in den 70-er Jahren einer
kommunistischen Gruppe an. Wann haben Sie sich das letzte
Mal von ihrer linksradikalen Vergangenheit distanziert?
Jörg Frank:
Ich habe damit
erst gar nicht angefangen - und habe es auch nicht mehr
vor.
Und trotzdem redet die CDU in
Köln noch mit Ihnen?
Jörg Frank:
Ich glaube,
die sind realitätsbewusster als die Berliner
CDU-Heißsporne. Nun sind natürlich auch die Grünen in
Berlin in einer unvergleichlich schwierigeren Rolle als
wir in Köln. Sie stehen im Brennpunkt. Die Opposition
wie auch sensationsgeile Medien wollen sie fallen sehen.
In Berlin haben CDU und FDP zur
Jagd geblasen. Wie erklären Sie sich die dortige
Aufregung?
Jörg Frank:
Das Motiv von
CDU- wie FDP-Hardlinern besteht nicht bloß darin, die
Regierung ins Schlingern zu bringen, sondern die
Interpretationshoheit über einen wichtigen Teil der
jüngeren Geschichte dieser Republik zu besetzen und
damit die damalige Aufbruchzeit zu dämonisieren. Leute
wie Laurenz Meyer oder Friedrich Merz sind Loser. Bei
denen spielt auch Neid gegenüber den 68-ern mit. Sie
sind bloß graues Mittelmaß und haben historisch nichts
bewegt. Ich denke, dass es an der Zeit ist, sich gegen
diese anachronistische Hysterie zur Wehr zu setzen.
Aber wenn die Kölner CDU nun
doch auf die Idee käme, dass auch Sie sich zu
distanzieren hätten, und damit droht, ansonsten nicht
mehr mit Ihnen zu sprechen?
Jörg Frank: Darauf lasse
ich mich nicht ein. Die 68-er und darauf folgenden
Bewegungen haben das große Verdienst dafür, dass die
Bundesrepublik das ist, was sie heute ist. Dazu gehört
Emanzipation, Liberalität und Bürgerdemokratie. Aber
auch eine Art Entnazifizierung der von den Alliierten
geschenkten Republik. Liberales Klima, freie Lebensstile
und der Bruch des beherrschenden Einfluss des Klerus
wäre ohne 68 und danach nicht möglich gewesen. Viele
gesellschaftliche Umwälzungen sind von den
emanzipatorischen Bewegungen der 60-er und 70-er Jahre
ausgegangen. Das ist ihr historisches Verdienst. Wir
dürfen nicht zulassen, dass rechte Demagogen wie
Wolfssohn, Gerhardt oder Meyer nun die Geschichte
umlügen, weil ihre parteiideologischen Strömungen
historisch die Verlierer sind.
Zum Gründungskonsens der
Grünen gehörte nicht nur das Postulat der
Gewaltfreiheit, sondern auch, mit Formen des zivilen
Ungehorsams gegen aus ihrer Sicht falsche staatliche
Maßnahmen zu protestieren. Gilt das für Sie immer noch?
Jörg Frank:
Selbstverständlich.
Jetzt hat Ihr Parteirat
beschlossen, Blockaden gegen Castor-Transporte
abzulehnen. Verabschieden sich damit die Grünen nicht
von einem Teil ihres Gründungskonsenses?
Jörg Frank: Ich verstehe
die Entscheidung des Parteirates so, dass Eskalationen
zwischen Demonstranten und der Polizei unbedingt
vermieden werden sollen. Eine Strategie der Deeskalation
unterstütze ich. Auf der anderen Seite ist es natürlich
so, dass zur Geschichte der Grünen auch der gewaltlose
Widerstand gehört. Das ist eine Form der zivilen
Auseinandersetzung und es gibt keinen Grund, sich von
dieser Tradition zu distanzieren. Die vielfältigen
gewaltfreien Protestaktionen der sozialen Bewegungen
definierten ja auch eine klare Abgrenzung zu autoritären
und terroristischen Formen der Politikdurchsetzung.
Gerade wir in Köln können dabei stolz auf einen unserer
Ehrenbürger sein, nämlich auf Heinrich Böll. Er hat
damals Aktionen des politischen Ungehorsams selbst aktiv
unterstützt - zum Beispiel die Blockade in Mutlangen.
Warum sollte das jetzt plötzlich falsch sein?
Wenn trotz der am Dienstag
erfolgten Weisung Trittins doch demnächst Castoren von
Neckarwestheim über Köln nach Ahaus rollen, können Sie
sich dann vorstellen, diese mit zu blockieren?
Jörg Frank:
Ich bin der
Meinung, dass die einzelnen Bundesländer für die
Lagerung ihres Atommülls selbst die Verantwortung
übernehmen müssen und es kein Atommüllverschieben quer
durch die Republik auf dem Rücken der Bevölkerung geben
darf. Insofern darf Ahaus auch nicht weiter gefüllt
werden. Wenn das trotzdem versucht werden sollte, dann
ist das Grund genug, dagegen gewaltfrei zu demonstrieren.
Gewaltfreie Formen des Protestes gegen Castor-Transporte
halte ich für gerechtfertigt.
Zu den gewaltfreien Formen
könnte auch eine Blockade gehören?
Jörg
Frank: Warum nicht? Aber ich bin dafür, dabei
klare Grenzen zu ziehen. Die Frage ist, inwieweit dabei
eine unmittelbare gewalttätige Auseinandersetzung mit
der Polizei droht. Ich meine, dass dies vermieden werden
muss. Gewaltfreie Aktionen dürfen nicht zu Eskalationen
führen. Das könnte ich nicht unterstützen.
|