07.11.2002



Interview mit Reiner Priggen

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taz

*   "Das riecht mehr als streng"
Von Pascal Beucker

Der grüne Landtagsfraktionsvize Reiner Priggen traut den Aufklärungsbemühungen der FDP nicht und befürwortet einen Untersuchungsausschuss zum Möllemann-Skandal.

Herr Priggen, knallen bei Ihnen zur Zeit nicht permanent die Sektkorken über die täglich neuen Enthüllungen bei der FDP?

Reiner Priggen: Das nicht, aber ich bin erleichtert darüber, dass die Masche Möllemann doch nicht auf Dauer funktioniert und nun Zug um Zug rauskommt, was tatsächlich dahinter steckt. Der jetzige Skandal hat ja nicht erst mit dem unsäglichen Flyer oder der Karsli-Affäre angefangen. Begonnen hat er bereits mit dem Landtagswahlkampf 2000. Ich finde es bis heute unfassbar, dass Möllemann als erster Politiker in der Bundesrepublik damals mit einem Hitlerplakat Wahlkampf gemacht hat. Und das hat man ihm durchgehen lassen. Auf dieser Linie hat er dann als vermeintlicher "Tabubrecher" weitergearbeitet. Seine Antisemitismusnummern vor der Bundestagswahl waren nur eine konsequente Fortsetzung dieses Kurses.

Warum konnte Möllemann so lange so ungestört agieren?

Reiner Priggen: Die FDP hat Möllemann so lange gewähren lassen, weil er ihr Erfolg versprach. Ich glaube fest, dass Guido Westerwelle wie Cornelia Pieper auch über den unappetitlichen Flyer informiert waren, Möllemanns Treiben jedoch deckten, weil sie kalkulierten, das bringe ihnen die 0,8 Prozent mehr, die notwendig für eine andere Bundesregierung gewesen wären. Das war eine Doppelstrategie: Westerwelle macht die Fun-Seite und Möllemann das schmutzige Geschäft - und zusammen reicht das dann für alle. Die Strategie ist zum Glück nicht aufgegangen und jetzt fallen sie übereinander her. Das ist ein verlogenes Spiel. Ein glaubwürdiger Bruch mit den Praktiken Möllemanns würde verlangen, dass die gesamte Führungsspitze im Land und Bund, die sein Treiben getragen hat, ausgetauscht werden müsste.

Ist es das, was Sie jetzt von der FDP erwarten?

Ich glaube nicht an Wunder. Was ich allerdings erwarte, ist schonungslose Aufklärung. Denn neben dem politischen gibt es den kriminalistischen Aspekt: Es wird immer deutlicher, dass bei der NRW-FDP bereits früher "geschummelt" wurde. Es ist doch mehr als auffällig, dass sich das Spendenvolumen des Landesverbandes 1999 und 2000 gegenüber den Jahren zuvor beinahe verdoppelte. Ein Großteil des Geldes wurde als Barspenden unterhalb der Veröffentlichungsgrenze in die Kassen gespült. Das riecht mehr als streng.

Welche Fragen sind aus Ihrer Sicht außerdem noch ungeklärt?

Reiner Priggen: Es gibt einen Haufen Fragen, die die FDP beantworten muss: Was wurde wie und von wem manipuliert? Seit wann gibt es diese Finanzmanipulationen? Bereits seit dem Landtagswahlkampf 2000 oder vielleicht sogar noch früher? Wer waren die Mitwisser? Wer hat dieses kriminelle Handeln von Möllemann & Co. gedeckt? Bei den verdeckten Spenden müssen natürlich die Quellen offen gelegt werden. Es muss auch geklärt werden, inwieweit Fraktionsfinanzen missbraucht worden sind. Möllemann hat sich ja auch der Fraktion vortrefflich zu Wahlkampfzwecken bedient. Die gesamte Wirkungszeit von Herrn Möllemann muss rückwärts aufgeklärt werden. Die ganze Wahrheit muss jetzt auf den Tisch.

Trauen Sie der FDP tatsächlich zu, ihren Finanzskandal selbstständig aufklären zu können?

Reiner Priggen: Nein, jeden Tag kommen da doch neue Fakten auf den Tisch, von denen in der FDP zuvor niemand etwas gewusst haben will. Aus meiner Sicht wäre ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zweckmäßig. Er würde auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sinnvoll ergänzen. Aber einen solchen Ausschuss können wir als Grüne nicht alleine herstellen, da der Einrichtung 25 Prozent der Landtagsabgeordneten zustimmen müssen. Insofern können wir nur an die anderen Parteien appellieren, sich einem solchen Aufklärungsprozess nicht zu verweigern.


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