Jörg Detjen,
Mitglied der PDS-Gruppe im Rat der Stadt Köln, über die Bemühungen
der schwarz-grünen Ratsmehrheit, den Haushalt zu konsolidieren, sowie
über die Notwendigkeit, die Gewerbesteuer zu erhöhen, statt städtisches
Eigentum zu privatisieren und immer im sozialen Bereich zu kürzen.
taz:
Herr Detjen, die Haushaltssituation der Stadt Köln ist desolat. Alle
Konsolidierungsversuche der schwarz-grünen Ratsmehrheit wurden jedoch
gerade von der PDS in Bausch und Bogen abgelehnt. Was hätten Sie
besser gemacht?
Jörg
Detjen: Ich hätte mir gewünscht, dass sich Schwarz-Grün zuerst
einmal um die Einnahmeseite gekümmert hätte. Wir hatten ja im Rat
die Erhöhung der Gewerbesteuer vorgeschlagen. Doch das wollten CDU
und Grüne nicht. Dabei hätte eine Gewerbesteuererhöhung uns 20
Millionen Euro im Jahr gebracht. Das hätte nicht alle Probleme gelöst,
das gebe ich zu. Aber es wäre eine Möglichkeit gewesen, unsoziale Kürzungen
im sozialen Bereich zu vermeiden.
Sehen
Sie nicht die Gefahr, dass dann Unternehmen ins Umland abgewandert wären?
Jörg
Detjen: Das glaube ich nicht. Die Firmen machen doch
Riesengewinne. Wir hatten gerade die Schlagzeile, dass die Kölner
Unternehmen 20 Prozent mehr Erlöse haben. Das ist doch ein Beweis dafür,
dass die Erhöhung der Gewerbesteuer möglich gewesen wäre.
Auch
eine Gewerbesteuererhöhung hätte das Haushaltsloch nicht ansatzweise
gestopft. Also wäre die Stadt bei der Umsetzung Ihres Vorschlags
dennoch nicht um eine Senkung der Ausgaben herumgekommen. Es hätte
trotzdem gespart werden müssen, oder?
Jörg
Detjen: Was wir kritisieren ist, dass CDU und Grüne nicht richtig
gespart haben, weil sie das Rasenmäherprinzip angewandt haben.
Wenn
Schwarz-Grün also falsch gespart hat - wo will denn die PDS richtig
sparen?
Jörg
Detjen: Gute Frage.
Ihnen
fällt dazu nichts ein?
Jörg
Detjen: Natürlich ist es immer schwierig, zu sparen. Aber man könnte
zum Beispiel sehr gut bei der Kölner Anti-Spray-Aktion sparen. Die
Streichung der Zuschüsse für die KASA brächte immerhin 400.000
Euro. Auch beim Archiv der Vertriebenenorganisationen, der Breslauer
Sammlung, kann sehr gut gespart werden.
Die
Vorschläge dürften Ihrer Wählerklientel gut gefallen, aber zur Bewältigung
der hunderte Millionen Euro schweren Kölner Finanzkrise trügen sie
wohl eher peripher bei. In der rot-roten Koalition in Berlin hat Ihre
Partei weniger Probleme mit dem Sparen.
Jörg
Detjen: Man muss doch immer auch davon ausgehen, wer was ist. Wir
sind mit zwei Leuten im Rat. Das ist eine etwas andere
Aufgabenstellung. Man muss Schwerpunkte setzen, und die setzen wir in
der Sozialpolitik. Da müssen und können wir Verteidigungslinien
aufbauen. Wir machen hier knallharte Oppositionsarbeit - und dafür
werden wir auch gewählt.
Deswegen
ist die PDS in Köln auch gegen Privatisierungen und in Berlin dafür?
Jörg
Detjen: Also zunächst bitte ich doch um Differenzierung: Die FDP
hat uns ja vorgehalten, in Sachen GAG-Privatisierung mache die
Berliner Koalition das gleiche, wie sie selbst es in Köln will. Das
ist jedoch nicht der Fall. Berlin hat zum Beispiel jetzt immer noch
einen kommunalen Wohnungsbestand von 17 Prozent, vorher waren es 20.
Es wurden also nur drei Prozent privatisiert. Auch dagegen hätte ich
gestimmt, gar keine Frage. Aber das ist trotzdem eine ganz andere
Liga, als wenn ich jetzt wie in Köln acht Prozent habe und hätte später
null. Generell ist unsere Position zu Privatisierungen eindeutig: Die
kommunale Daseinsvorsorge, also Stadtwerke oder
Wohnungsgesellschaften, muss erhalten bleiben. Da kämpfen wir drum.
Bei den anderen städtischen Beteiligungen muss man halt gucken, ob
ein Verkauf Sinn macht oder nicht. Wenn Unternehmen wie Netcologne,
Radio Köln oder die Kölner Außenwerbung Gewinne machen, warum
sollen wir sie dann verkaufen? In diesen Fällen waren wir dagegen.
Das sind eben lukrative Unternehmen mit ständigen Gewinnen, die in
den Haushalt fließen.
Gibt
es denn etwas, das Sie privatisieren würden?
Jörg
Detjen: Zum Beispiel ein Rathausrestaurant, das Verlust macht.
Sonst
nichts?
Jörg
Detjen: Im Großen und Ganzen sehe ich da nichts. Aber schließlich
sind wir als PDS ja auch dafür, dass die Kommunen noch mehr selbst
wirtschaften dürfen. Bisher werden sie ja durch die Gemeindeordnung
sehr eingeengt in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit.
Es
müsste also Ihres Erachtens noch viel mehr in städtischen Besitz
kommen?
Jörg
Detjen: Ja.
Und
sonst haben Sie keine Ideen zu den Kölner Finanzen?
Jörg
Detjen: Also bitte! Wir hatten auch unter anderem vorgeschlagen,
statt einer Zweitwohnungssteuer den Zuzugsbonus für Studenten einzuführen.
Der Vorschlag ist ja dann auch von den anderen Parteien aufgegriffen
worden. Das hat dem Herrn Schramma doch zehn Millionen Euro gebracht.
Wir haben also auch Konstruktives beigetragen.
Auch
das löst die Kölner Finanzmisere nicht.
Jörg
Detjen: Das stimmt. Aber das liegt daran, dass das Grundproblem
ein anderes ist: Wir brauchen eine kommunale Finanzreform. Keine
Partei wird in Köln die Finanzlage lösen. Es ist nur möglich, wenn
der Bund die kommunalen Finanzen neu ordnet und die Kommunen mehr Geld
bekommen. Anders ist es nicht zu machen. Jetzt kommt doch auch noch
Hartz IV auf uns zu. Also wenn ich Fritz Schramma wäre, würde ich
auf die Montagsdemonstrationen gehen, aber Hallo! Denn ich würde an
seiner Stelle vehement dagegen protestieren, dass den Kommunen
praktisch die Lasten aufgebürdet werden. Damit wird es nämlich
enden. Die Kommunen werden vermutlich durch einen zweistelligen
Millionenbetrag neu belastet.
Was
würden Sie denn sonst noch so alles machen, wenn Sie Schramma wären?
Jörg
Detjen: Dann würde ich etwa einen Beteiligungs- und Bürgerhaushalt
machen. Man muss den Haushalt eben runter brechen auf die Stadtteile.
Die Bürger müssen vor Ort in den Stadtbezirken mit diskutieren. Dann
habe ich doch eine ganz andere Diskussion. Da werden auch Vorschläge
kommen. Es wird ja auch gerade angedacht, in diese Richtung zu gehen,
indem man gesagt hat, wir müssen gucken, dass die Bezirke mehr
Einflussmöglichkeiten haben, wie das in dem Haushaltsbeschluss der Grünen
drin ist. Damit kann man was machen. Die Frage ist, ob das so weit
umgesetzt wird, wie wir es fordern; dass es wie im brasilianischen
Porto Allegre in den Stadtteilen Versammlungen gibt. |