28.07.2005



Interview mit Katharina Schwabedissen und Wolfgang Zimmermann

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taz

*  "Wir schlucken die Kröten nicht"
Von Pascal Beucker

Am Wochenende stellt die PDS ihre Landesliste für den Bundestag auf. Die SprecherInnen der WASG hoffen, dass es dabei keine bösen Überraschungen gibt - also nicht nur Lafontaine seinen Platz findet.

Katharina SchwabedissenAuf einer Landesmitgliederversammlung will die PDS am Wochenende in der Messe Essen ihre NRW-Landesreserveliste für die Bundestagswahl aufstellen. Neben dem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine erwartet die WASG, dass zumindest auch ihr früherer Landessprecher Hüseyin Aydin und der Sozialpfarrer Jürgen Klute aussichtsreich platziert werden. Chancen können sich ebenfalls noch die WASGlerinnen Inge Höger-Neuling und Britta Pietsch ausrechnen. Auf dem Programm der Versammlung steht außerdem die Umbenennung in "Linkspartei." - mit oder ohne dem Zusatz PDS. Die WASG hat in NRW mittlerweile rund 2.500 Mitglieder - und damit etwa doppelt so viele wie die PDS.

Na, platzt am Wochenende in Essen das Linksbündnis?

Katharina Schwabedissen: Ich hoffe nicht.

Befürchten Sie nicht, dass es Ihnen so ergeht wie Ihren Parteifreunden in Bayern, also dass die PDS WASG-Kandidaten bei der Aufstellung der Landesreserveliste durchfallen lässt?

Schwabedissen: Natürlich können wir das nicht ausschließen. Eine landesweite Mitgliederversammlung, wie sie die PDS in NRW durchführt, ist immer unkalkulierbar. Aber wir haben sehr viele Gespräche mit dem PDS-Landesvorstand geführt, die ich als sehr konstruktiv erlebt habe. Deswegen hoffe ich, dass es hier anders läuft als in Bayern.

Wolfgang Zimmermann: Allein schon die Tatsache, dass es in Bayern zu diesen unerfreulichen Komplikationen gekommen ist, sollte eine heilsame Lehre für die PDS sein, um es in NRW besser zu machen. Ich glaube, dass wir ausreichend deutlich gemacht haben, dass wir unsere Vorschläge platziert haben wollen.

Von wie vielen WASG-Kandidaten auf vorderen Listenplätzen gehen Sie denn aus?

Zimmermann: Nach den aktuellen Umfragen gehen wir von insgesamt acht bis zehn aussichtsreichen Plätzen aus. Da sollten schon mindestens drei von uns vorkommen - natürlich ohne dass es einen juristischen Anspruch darauf gibt.

Herr Zimmermann, bis vor nicht allzu langer Zeit waren Sie selbst noch Mitglied der PDS. Wären Sie in der Partei geblieben, dürften Sie jetzt nicht nur Wünsche äußern, sondern mitentscheiden. Haben Sie vielleicht einen Fehler gemacht?

Zimmermann: Nein, das glaube ich nicht. Ich bin damals wegen der Politik der PDS in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ausgetreten, konkret wegen des Austritts des rot-roten Berliner Senats aus der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder. Meine Meinung dazu hat sich nicht geändert. Doch durch die Initiative Lafontaines, für ein gemeinsames Linksbündnis aus PDS und WASG anzutreten, ist eine neue Situation eingetreten. Es bietet sich jetzt die einmalige Chance, die Zersplitterung der Linken zu überwinden und etwas Neues entstehen zu lassen.

Und das alles nur dank Oskar Lafontaine...

Schwabedissen: Unsere Hoffnungen ruhen nicht allein auf Lafontaine. Uns kommt es auf die Schaffung einer breiten linken Bewegung an, nicht darauf, einen König an die Spitze zu setzen, hinter dem alle herlaufen.

Das klingt ja schon fast nach Majestätsbeleidigung.

Zimmermann: Tatsache ist, dass die WASG und Lafontaine aufeinander angewiesen sind. Es wäre unsinnig, zu leugnen, dass es enorm wichtig ist, eine prominente Persönlichkeit wie Lafontaine zu haben. Darauf reagieren die Medien, darauf reagieren die Menschen. Aber: Ohne die WASG hätte es kein Comeback von Lafontaine gegeben. Wir brauchen uns gegenseitig in dieser Phase. Übrigens gilt das in gewisser Weise auch für Gregor Gysi. Denn die PDS würde ohne die WASG nicht die Fünfprozenthürde schaffen. Sie würde bestenfalls zwei, drei Direktmandate im Osten schaffen. Das wär's auch schon.

Weil Sie Lafontaine brauchen, schlucken Sie so manches für Linke eigentlich Unverdauliche, wie seine Beiträge zur Folterdebatte, zu "Fremdarbeitern" oder den von ihm abgelehnten EU-Beitritt der Türkei?

Schwabedissen: Wir schlucken die Kröten nicht. Es stimmt schon, dass Sachen, die er als Privatmann von sich gibt, aufgrund seiner exponierten Stellung negativ auf uns zurückschlagen können. Wir haben ihn allerdings bereits deutlich darauf hingewiesen, dass er sich einfach gut überlegen muss, was er sagt.

Was hat er geantwortet?

Schwabedissen: Dass er sich bemühen wird, vorsichtiger mit bestimmten Themen umzugehen.

Zimmermann: Lafontaine hat erkannt, dass ein sehr großer Teil der WASG ebenso wie ein großer Teil der PDS mit bestimmten von ihm vertretenen Positionen nicht einverstanden ist und sie nicht mittragen kann.

Am Samstag steht auch die Umbenennung der PDS NRW an. Wie wird denn dann die Partei heißen?

Schwabedissen: Die Linkspartei Punkt.

Ohne Zusatz?

Schwabedissen: Davon gehe ich aus.

Der letzte PDS-Landesparteitag hat anderes beschlossen.

Schwabedissen: Ich denke, dass das Kürzel PDS nicht mit erscheinen wird. Denn immerhin verzichten wir auf eine eigene Kandidatur. Das ist ein großer Schritt für die WASG, der einfach von der PDS honoriert werden muss. Auch sie muss Kompromisse eingehen. Im Übrigen nützt es doch auch der Linkspartei, wenn sie im Westen auf den Zusatz PDS verzichtet.


z u r  p e r s o n

WOLFGANG ZIMMERMANN, 55, und KATHARINA SCHWABEDISSEN, 32, sind gleichberechtigte LandessprecherInnen der Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG) in NRW.


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