19.04.2006



Interview mit Frank Richter

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taz

*  "Nicht mehr als eine handverlesene Gruppe"
Von Pascal Beucker

Zu wenige Nicht-Deutsche können und wollen zur Polizei gehen, bedauert Polizeigewerkschaftler Frank Richter.

Frank Richtertaz: Herr Richter, für wie wichtig erachten Sie den Einsatz von Migranten bei der Polizei?

Frank Richter: Für ausgesprochen wichtig. Gerade in Gegenden mit einem hohen Anteil ausländisch stämmiger Bevölkerung ist es nun einmal sinnvoll, Kollegen mit Migrationshintergrund einsetzen zu können. Dabei geht es nicht nur um die Sprache, die kann angelernt werden, sondern vor allem um Mentalitäten. Häufig sind es ja Eskalationen, die eintreten, weil man bestimmte Spielregeln nicht kennt. Von daher wäre es natürlich wünschenswert, wenn wir hier mehr Kollegen hätten, die in diesen Bereichen ganz speziell eingesetzt werden können.

Per Ausnahmegenehmigung können auch Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Nordrhein-Westfalen Polizeibeamte werden. Hat sich diese Regelung bewährt?

Frank Richter: Tatsächlich gibt es seit geraumer Zeit die Möglichkeit, dass auch jemand ohne deutsche Staatsbürgerschaft oder die eines anderen EU-Landes in den Polizeidienst in Nordrhein-Westfalen aufgenommen werden können. Konkret heißt das, dass auch Menschen aus einem Nicht-EU-Land eingestellt werden, deren Nationalität in NRW weit verbreitet ist, zum Beispiel Türken. Allerdings haben bislang nur wenige dieses Angebot wahrgenommen. Es handelt sich um nicht mehr als eine handverlesene Gruppe.

Trotz des "ausdrücklichen Wunsches" des Innenministeriums sind in ganz NRW seit Anfang der 90er Jahre gerade einmal rund 50 Bewerber ohne deutschen Pass eingestellt worden. Woran liegt das?

Frank Richter: Da gibt es sehr unterschiedliche Gründe. Bei vielen Türken liegt es beispielsweise daran, dass sie die Polizei nicht unbedingt zum "freundlichen Lager" zählen. Das ist bisweilen familiär begründet und hat teilweise seine Ursache in den Verhältnissen in der Türkei. Also: Polizist zu werden, gehört hier nicht unbedingt zu den Traumjobs.

Sollte da nicht einfach gezielter geworben werden?

Frank Richter: Ja, auf jeden Fall. So sollte schon in den Schulen gezielter auf bestimmte Gruppen zugegangen werden, um Vorbehalte abzubauen und sie für den Polizeidienst zu interessieren.

Welche Ursachen für die Unterrepräsentanz gibt es noch?

Frank Richter: Zum einen liegt es natürlich auch an der hohen Einstiegshürde: Da die Polizei in NRW gegenwärtig nur noch Menschen mit Abitur einstellt, jedoch Nicht-Deutsche prozentual nur unterdurchschnittlich häufig Abitur machen, gibt es schon bei der notwendigen Qualifikation das erste Problem. Ein weiteres ist, dass viele den Einstellungstest nicht bestehen. So ist eine Voraussetzung auch, dass sie sechs Jahre lang Englisch gelernt haben müssen. Das ist gerade für Russland-Deutsche eine besondere Schwierigkeit, da sie vielfach in der Schule kein Englisch gehabt haben. Hinzu kommt ferner noch die enorme Konkurrenz: Auf eine offene Polizistenstelle kommen ungefähr zehn Bewerber. Da bleiben etliche vorzeitig auf der Strecke.

Müssen Kandidaten aus einem Nicht-EU-Land nicht außerdem noch eine zusätzliche Qualifikation vorweisen?

Frank Richter: Ja, das stimmt. Ein Kriterium ist, dass der entsprechende Bewerber auch noch seine Muttersprache richtig beherrschen muss. Das ist, auch wenn man es kaum glauben kann, mittlerweile gerade bei Türken der dritten oder vierten Generation ein ganz, ganz großes Problem.

Würden Sie es für sinnvoll erachten, eine Quote für Menschen ausländischer Herkunft einzuführen?

Frank Richter: Nein, das halte ich nicht für sinnvoll. So eine Quote gibt es in den Niederlanden, sie hat sich nicht bewährt. Um die Quote zu erreichen, wurden hier die Einstellungsvoraussetzungen heruntergesetzt. So wurde ein Zwei-Klassen-System geschaffen: Für die einen galt die, für die anderen jene Norm. Das halte ich nicht für gut.


z u r  p e r s o n

FRANK RICHTER, 47, ist Polizeihauptkommissar und Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen.


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