17.11.2012 |
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Kohlegegner aus dem Tunnel geholt |
Von Pascal Beucker |
Die Polizei hat die Räumung eines
Anti-Kohle-Protestcamps bei Köln vollendet: Nach vier Tagen
„befreiten“ sie den letzten Aktivisten aus dessen Tunnelversteck.
Lange hatte der renitente Kohlegegner in seinem
selbst gebauten Erdbunker durchgehalten. Doch Freitagnacht war
Schicht im Schacht. Um 23.17 Uhr gelang es der Polizei, ihn aus der
sechs Meter tiefen Höhle herauszuholen. Der Umweltaktivist sei zwar
erschöpft, aber unverletzt, stellte ein Notarzt fest. Damit ist die
monatelange Besetzung des Hambacher Forstes endgültig beendet. Jetzt
können die Bagger zur Rodung kommen. Jonas Zimmermann, wie ihn seine MitstreiterInnen
nennen, war der letzte Verbliebene aus einem Protestcamp gegen die
Abholzung des Waldes an der Tagebauabbruchkante bei Kerpen-Buir.
Vier Tage lang harrte der 27-Jährige aus dem bayrischen Greifenberg
in seinem selbst gewählten Erdgefängnis aus. Seine Aktion
bezeichnete er als „praktizierten Klimaschutz von unten“. Da alle Überredungskünste, ihn zur freiwilligen
Aufgabe zu bewegen, erfolglos blieben, kämpften sich Polizei,
Technisches Hilfswerk und Feuerwehr sowie Spezialisten der Herner
Grubenwehr mit allerlei schwerem Gerät, darunter auch einem
Saugbagger, Zentimeter für Zentimeter in den Untergrund vor. Am Freitagmittag hatten sich die Einsatzkräfte
bereits bis auf Sichtkontakt zu Zimmermann durchgebuddelt. Doch ein
letztes Mal konnte er entkommen: Kurz vor dem Zugriff trat er
Stützbalken, die das Tunnelsystem stabilisieren sollten, weg und
floh in einen ungesicherten Gang. „Er möchte offenbar nicht von uns
gerettet werden“, sagte ein Polizeisprecher konsterniert. Heftiger Widerstand Aber am
späten Freitagabend war es dann doch
soweit. Beamten der technischen Einsatzeinheit des Polizeipräsidiums
Köln waren bis zu Zimmermanns letzter Zuflucht vorgedrungen. Nach
intensivem Gesprächskontakt sei es ihnen gelungen, „ihn in einem
günstigen Moment zu ergreifen“, teilte die Polizei mit. Aus dem
Schacht sei er „gegen seinen heftigen Widerstand“ herausgeholt
worden. Ein bereitstehender Notarzt bescheinigte Zimmermann, zwar
erschöpft, aber unverletzt zu sein. Nach seiner unfreiwilligen „Rettung“ ging es für
den jungen Mann noch in der Nacht ins Polizeipräsidium nach Köln. Am
Samstagvormittag wurde er der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Laut
einem Polizeisprecher wird ihm Hausfriedensbruch, Nötigung und
versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Da jedoch „keine schwerwiegenden Haftgründe“
bestünden, wurde der Umweltaktivist am Samstagmittag wieder auf
freien Fuß gesetzt. Nach Angaben seiner UnterstützerInnen wurde
Zimmermann bei seiner Freilassung „von etwa 30 solidarischen
Menschen und auch Menschen aus dem Wald empfangen und möchte sich
jetzt mit Ihnen zusammen erholen“. Der Hambacher Forst liegt im rheinischen
Braunkohlerevier. Aus Protest gegen die extrem klimaschädliche
Förderung und Verstromung von Braunkohle durch den Essener
RWE-Konzern hatten UmweltaktivistInnen seit April das Waldstück
„besetzt“ gehalten. Nach einer Räumungsverfügung des Landgerichts Köln rückten am Dienstagmorgen mehrere Hundertschaften der Polizei gegen ihr Protestcamp vor. 23 AktivistInnen wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Nachdem jetzt auch der letzte Waldschützer geräumt werden konnte, wird das Gelände nun zur Rodung an RWE übergeben. Die Ex-BesetzerInnen wollen ihren Widerstand jedoch fortsetzen. |
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